Der Videochat mit Ihrem Anwalt ist nicht nur in Zeiten von Corona eine echte Alternative zum Besprechungstermin vor Ort.
Ich setze hierzu auf Jami (vormals Ring). Dieser Messenger ist plattformübergreifend verfügbar. Außerdem ist er kostenlos. Der Quellcode ist für jeden einsehbar. Die Gesprächsdaten werden direkt von Ihrem Endgerät zu meinem Endgerät übertragen. Also ohne Umweg über einen Server. Das nennt sich Peer-To-Peer. Außerdem findet die Übertragung Ende-zu-Ende-verschlüsselt statt. Es müssen zudem keine persönlichen Daten angegeben werden. Sie erhalten lediglich eine Id, das ist so etwas ähnliches wie eine Telefonnummer. Während des Gesprächs kann man Dateien hin- und herschicken. Ohne irgendwelche Größenbeschränkungen.
Ein Gerät (PC, Laptop, Smartphone). Wenn man PC oder Laptop verwendet, empfiehlt sich die Anschaffung eines Headsets. Man sollte nicht das billigste nehmen. Es sollte insbesondere Geräuschunterdrückung beherrschen. Ob kabellos oder schnurgebunden bleibt jedem selbst überlassen.
Optional: Eine Webcam für das Vier-Augen-Gespräch ohne Ansteckungsgefahr.
Meine Id: Damit können Sie mich „anwählen“. Sie lautet f7739c491340e5c327f8fa0df0551dfb2e0810bc oder einfacher: radominiquemaier
Ein wenig Zeit:
Software installieren, Zubehör wie Headset und Webcam einrichten. Fertig. Das dauert einmalig maximal 10 Minuten. Im betrieblichen Umfeld bitte erst den Systemadministrator fragen, bevor man drauf los installiert.
Jetzt steht einem Videochat mit Ihrem Anwalt nichts mehr im Weg. Natürlich können Sie mich aber auch weiterhin über die anderen Kommunikationswege erreichen.
In der Konstellation „Thomas Cook KAERA VISA“ war Hilfe gefragt und ich konnte helfen. Den Reisepreis von 4.000 € hatte die Mandantschaft mit VISA gezahlt. Die Reise sagte man insolvenzbedingt ab. Zunächst war niemand dazu bereit, etwas zurückzuerstatten. Die Mandantschaft lief vergeblich ihrem Geld hinterher.
Sicherungsschein für die Reise bei Thomas Cook und KAERA
Der Sicherungsschein der Zurich Insurance plc. mit NIederlassung in Frankfurt/Main hilft nur bedingt. Zurich hat mit der Abwicklung der Ansprüche die KAERA AG in Oberursel als Dienstleister beauftragt. Von dort erhält man aktuell lediglich eine Quote von 17,5% auf den Reisepreis. Bei 4.000 € sind das nur 700 €.
Die Insolvenzverfahren
Den Rest müsste man beim Insolvenzverwalter anmelden mit erfahrungsgemäß geringer Quotenaussicht im einstelligen Prozentbereich. Zuständiger Insolvenzverwalter war in meinem Fall Rechtsanwalt Ottmar Hermann aus Frankfurt/Main. Von der Insolvenz sind mehrere Gesellschaften betroffen. Muss man etwas beim Insolvenzverwalter anmelden, z. B. weil man selber für die Zahlung keine Kreditkarte benutzt hat, ist darauf zu achten, dass man im richtigen Insolvenzverfahren agiert. Außerdem gilt es Fristen zu beachten. In dem für meine Mandantschaft zuständigen Verfahren bestimmte man den 28.04.2020 als Fristende.
Die Lösung über VISA
Es lohnte sich jedenfalls, einmal die VISA Rules zur Hand zu nehmen. Eine Pamphlet auf Englisch im Umfang von 856 Seiten. Darin untergebracht ist ein Verfahren mit vielen Beteiligten: Dem Karteninhaber, der die Karte ausgebenden Bank, VISA, der Händlerbank und dem Händler, in unserem Fall also Thomas Cook. Wichtig: Es gibt Fristen zu beachten.
Für die Mandantschaft konnte ich erreichen, dass einer der am Verfahren Beteiligten 82,5% des Reisepreises erstattet hat. Er hatte sich zunächst darauf berufen, das in den VISA Rules geregelte Verfahren gelte nicht für Reiseleistungen. Das lässt sich den VISA Rules aber so nicht entnehmen. Die restlichen 17,5% werden von KAERA erwartet. Die Kosten sind über die Rechtsschutzversicherung gedeckt.
In der Kostellation Thomas Cook KAERA VISA hat der Kunde also gute Chancen, sein Geld vollständig zurück zu erhalten.
Die Suche nach Tickets für ein Konzert in der Elphi bot mir die Gelegenheit, im anwaltlichen Selbstversuch Erfahrungen mit der Ticketbörse Viagogo zu sammeln.
Der Plan
Geplant war als Geburtstagsüberraschung ein Konzertbesuch zu zweit. Nils Petter Molvaer am 17.04.2020 in Hamburg. Bei der offiziellen überregionalen Vorverkaufsstelle gab es online sogar zwei freie Plätze. Der Haken: Der eine Platz befand sich am einen Ende, der weitere am anderen, entgegengesetzen Ende des Großen Saals.
Also: Weitersuchen. Ein lokales Hamburger Unternehmen bot Karten an. Sogar zwei Plätze nebeneinander. Ich bestellte. Am darauf folgenden Tag kam die Absage, die Veranstaltung sei leider ausverkauft.
Der Weg zur Ticketbörse
Wieder weitersuchen. An prominenter Stelle bei Google ploppte die Anzeige von Viagogo auf. Karten für das Konzert seien dort verfügbar. Das war mein Anlass für die Probe aufs Exempel.
Anwaltlicher Selbstversuch I – Erfahrungen beim Bestellprozess
Zu Beginn der freundliche Hinweis „Weniger als 2% aller Tickets für diesen Veranstaltungsort derzeit verfügbar auf unserer Website.“ Aha! Es war also Schnelligkeit gefragt. Ich startete den Bestellvorgang. 2 Tickets Block 15 O Reihe 2. Je 78 €. Niedrigste Kategorie. Bei den offiziellen Vorverkaufsstellen für unter 40 € je Ticket zu haben. Aber gut, von irgend etwas soll der Anbieter schließlich leben. Und wenn man mal wieder spät dran ist mit dem Geburtstagsgeschenk, muss man halt wieder tiefer in die Tasche greifen als andere.
Ein Ticker, der ab 10:00 Minuten rückwärts zählt, so viel Zeit habe man, um die Bestellung abzuschließen. In roter Farbe: „Bitte beachten Sie, dass diese Tickets möglicherweise nicht mehr verfügbar sein werden, nachdem Sie sie freigeben.“
„Die Sitzplätze legen nebeneinander.“
„Uneingeschränkte Sicht.“
„Papiertickets (behalten als Souvenir!)“
„Gute Wahl, die von Ihnen ausgewählten Tickets sind die besten verfügbaren Tickets in dem entsprehenden Block.“
„Elbphilharmonie Großer Saal“
„Einer der besten Veranstaltungsorte dieser Stadt“
„Tolle Sicht von allen Sitzplätzen aus“
„Großartige Atmosphäre“
„Bequeme Sitze“
„Spitzenmäßige Einrichtungen“
„Ausgezeichnete Verkehrsanbindung“
„Top-bewertete Restaurants in der Nähe“
„Ein großartiger Veranstaltungsort mit tollen Sitzplätzen für Personen, die zu zweit an der Veranstaltung teilnehmen.“
Bei „20% abgeschlossen“ war noch von 78 € je Ticket die Rede. Bis zur Bestätigung der Bestellung kamen noch dazu: 2x Liefergebühr à 6 € und MwSt und Buchungsgebühr von 2x 27 €. Insgesamt lag der Preis bei stolzen 223,59 €. Die oben aufgeführten weiteren Informationen waren verkaufspsychologisch betrachtet gut platziert und beseitigten restlos den durch den Beschaffungsdruck ohnehin schon stark ramponierten Bestellwiderstand des Protagonisten: Egal. Haben! Augen zu und durch. Zahlung mit VISA. Wenn die Tickets nicht kommen, kann man notfalls das Dispute-Verfahren anwerfen.
Die Bestellbestätigung von Viagogo
Positive Erfahrungen im Selbstversuch mit der Ticketbörse Viagogo? Ja – vorerst und mit sofortigem Dämpfer:
„Glückwunsch! Sie sind auf dem Weg, Nils Petter Molvaer in Elbphilharmonie Großer Saal zu sehen!„. Man hätte auch sagen können: Gotcha! „Bestellung bestätigt.“ Dann aber: „Derzeit bearbeitet – Ticketfreigabe durch Veranstalter ausstehend“ – „Da wird [Anm.: gemeint wohl wir] keinen Einfuss [Anm.: gemeint wohl Einfluss] darauf haben, wann der Veranstalter die Tickets freigibt, können wir die Lieferung auch nicht beschleunigen. Denken Sie daran, dass Ihre Tickets unter der viagogo Garantie stehen.“
Exkurs: Die Viagogo-Garantie aus Zif. 1.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB):
„Wenn Sie Tickets über die Website kaufen, garantiert viagogo Ihnen, dass Sie Tickets, für die Sie gezahlt haben, rechtzeitig vor der Veranstaltung erhalten. In dem höchst unwahrscheinlichen Fall, dass Probleme auftreten und der ursprüngliche Verkäufer die Karten, die zum Kauf angeboten wurden, nicht an Sie liefert, wird viagogo, nach eigenem Ermessen, vergleichbar bepreiste Tickets prüfen und Ihnen ohne Mehrkosten Ersatztickets anbieten oder Ihnen den Betrag für die Tickets zurückerstatten. „Vergleichbar bepreiste“ Ersatztickets bestimmt viagogo ausschließlich nach eigenem Ermessen.“
Interessant ist die Bestimmung „nach eigenem Ermessen“?: Ersatztickets für Nils Petter Molvaer in Wien am 09.06.2020 oder in Dortmund am 13.06.2020? Keine schönen Optionen, wenn man Hotel und Bahn schon für das Reiseziel Hamburg gebucht hat.
„Lieferung – spätestens am 11 April 2020.“ Das hätte gepasst, dann aber:
„Auf dem Weg – spätestens am 16 April 2020.“
Man reibt sich verwundert die Augen. Geliefert wird spätestens am 11.04. Aber auf den Weg gebracht werden können die Tickets auch noch nach dem Tag der Lieferung? Außerdem: Auf dem Weg von wo aus? Der Schweiz (Sitz von Viagogo)? Deutschland? Das hätte nicht mehr gepasst. Das Konzert sollte am 17.04.2020 stattfinden, die Anreise war am Vortag geplant. Immerhin, Problembewusstsein ist bei Viagogo vorhanden, wenn es weiter heißt:
„Reisen Sie zur Veranstaltung an? Fügen Sie Ihren Reiseplan hinzu! [Anm.: Was geht der Viagogo an?]. Sollten Ihre Tickets vor Ihrem Abreisedatum freigegeben werden, liefern wir sie an Ihre ursprünglich angegebene Adresse. Sollten Ihre Tickets nach Ihrem Abreisedatum freigegeben werden, liefern wir sie an Ihre Reiseadresse.“ Das wäre eine schöne Anreise gewesen zu einem Konzert, bei dem der rechtzeitige Erhalt der Tickets zur Zitterpartie wird. Dagegen hilft auch die Viagogo Garantie nicht.
The Day After – Die Ticketbörse schreibt mir gleich 2x
Viagogo per Mail #1 – Betreff: „viagogo – Ihre Bestell nr.24212352 wurde storniert“
Die Mail am nächsten Tag hatte den folgenden Inhalt:
„Liebe/r Dominique, Leider mussten wir Ihre Ticket-Bestellung für Nils Petter Molvær abbrechen. Das bedeutet, dass Sie keine Tickets für die Buchung 24212352 erwarten können und wir Ihr Konto nicht belastet haben. Bitte ignorieren Sie bisherige Telefon oder E-Mail-Kommunikation in Bezug auf diesen Auftrag.“
Interessant, in Zif. 2.12 der AGB, heißt es zur Stornierung: „Sollte eine Veranstaltung gecancelt oder verschoben werden, so behält sich viagogo das Recht vor die Transaktion eines Verkäufers zu stornieren.“ Keiner dieser Fälle ist per heute eingetreten. Aber für Viagogo gibt es unter derselben Zif. eine weitere „Ausstiegstaste“: „Sollte der Verkäufer Tickets zum Kauf anbieten, den Verkauf bestätigen (bzw. eine automatische Bestätigung gemäß Paragraf 2.10 vorliegen) und dann nicht in der Lage sein, exakt die Tickets zu liefern, die zum Kauf angeboten wurden, behält sich viagogo das Recht vor, den Verkauf zu annullieren, Ersatzkarten für den Käufer zu beschaffen und dem Verkäufer die Kosten für diese Ersatzkarten sowie weitere Gebühren in Rechnung zu stellen und/oder anderweitige Konsequenzen zu vollziehen (siehe auch Kapitel 5).“
Die Ticketbörse per Mail #2 – ein Wimpernschlag später – Betreff (kein Scherz!): „Nicht verpassen – Kaufen Sie Ihre Tickets für Nils Petter Molvær noch einmal!“
Schon das Betreff: Interessant! Meine stornierten Ticktes noch einmal kaufen. Da war er wieder, der Bestellwiderstand des Protagonisten. Jetzt aber unüberwindbar. Der Inhalt der Mail:
„Liebe/r Dominique, Es tut uns leid, aber wir haben festgestellt, dass Ihre Bestellung für Nils Petter Molvær leider nicht erfolgreich war. Lassen Sie sich diese Tickets nicht entgehen, solange noch welche da sind! Wenn Sie sie noch einmal kaufen möchten, klicken Sie bitte hier…“
Positive Erfahrungen im Selbstversuch mit der Ticketbörse Viagogo? Aus dem „ja – vorerst!“ wird ein „Nein! Aber vielleicht …“
Anwaltlicher Selbstversuch II – Der zweite Bestellvorgang
Der freundlichen Einladung „klicken Sie bitte hier …“ konnte ich so nicht folgen. Ich kopierte die Link-Adresse, startete meinen Tor-Browser und was ich dann sah, verschlug mir die Sprache:
Bestellprozess nach Ticketauswahl in der Aufmachung wie gehabt, „20% abgeschlossen“, Countdown usw., 2 Tickets für Block 15 O Reihe 2 (gleicher Block, gleiche Reihe), die Karten sollten jetzt aber anstelle von 78 € jeweils 106 € kosten. Mit Versand, Mehrwertsteuer und Buchungsgebühr hätte man sich 300 € genähert. Ich habe es dann bei den 20% des Bestellfortschritts belassen und die Bestellung in die „Freigabe“ rennen lassen (der Countdown, Sie erinnern sich?).
Positive Erfahrungen im Selbstversuch mit der Ticketbörse Viagogo? Ein klares „Nein!“.
Happy End ohne Ticketbörse
Mail #1 und Mail #2 nahm ich früh morgens vor dem Frühstück zur Kenntnis. Ohne große Hoffnungen surfte ich nochmals bei der offiziellen Vorverkaufsstelle vorbei. Auf der Konzertseite war der „+“-Button zur Erhöhung der Ticketanzahl in der ersten Kategorie immer inaktiv gewesen, weil es eben nur eine einzige Karte gab. Ich traute meinen Augen nicht. Der Button war jetzt an diesem Mittwochvormittag aktiviert. Wieder Karten verfügbar. Früher Vogel fängt den Wurm: Ich bestellte sofort, die Karten erreichten mich zwischenzeitlich pünktlich mit der Post. Über 100 € gespart und Karten der besten Kategorie anstelle der schlechtesten.
Mein Fazit nach den Erfahrungen mit Viagogo im Selbstversuch
No risk – no fun. Das kann man mögen, muss es aber nicht. Es ist nochmal gut gegangen. Wird eine Anwaltsakte daraus, sollte man sich als Rechtsuchender auf einen Kampf ums Recht einstellen. AGB, Auslandsbezug und potentiell mehrere Anspruchsgegner eröffnen dafür eine schöne Arena.
Ich habe ein kleines pdf-Dossier über meinen Ausflug nach Genf zusammengestellt. Schwärzungen an der einen oder anderen Stelle mag man mir nachsehen.
P.S. (29.05.2020): Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Corona hat zugeschlagen, das Konzert ist verlegt …
Update 07.09.2020: Man hat jetzt pandemiebedingt zwei Konzerte daraus gemacht. Mit fairen Konditionen einschließlich eines Vorkaufsrechts für eine der beiden „neuen“ Konzerte, bevor der Vorverkauf an die Öffentlichkeit geht. Ich werde aus diesem Anlass auch einmal den Flixtrain nach Hamburg ausprobieren …
Ersatz von Entgeltfortzahlungskosten kann der Arbeitgeber verlangen, wenn der Schädiger gegenüber dem verunfallten Arbeitnehmer für die entstandenen Schäden einzustehen hat.
Hat der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu zahlen, weil der Arbeitnehmer infolge eines Unfalles arbeitsunfähig erkrankt ist, kann er sich diesen Schaden vom Unfallverursacher gfs. ausgleichen lassen. Das ist in § 6 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) geregelt.
Voraussetzung ist aber, dass der Unfallverursacher dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Das muss nicht immer der Fall sein.
Beispiel: Ihr Arbeitnehmer kommt mit dem Bus zur Arbeit, der abrupt anfährt. Weil der Arbeitnehmer noch keinen Halt gefunden hat, kommt es zum Sturz, er fällt deswegen fünf Wochen aus. Hier besteht nur im Ausnahmefall ein Anspruch gegen den Busfahrer oder das Verkehrsunternehmen:
Pflichten des Busfahrers
Der Fahrer eines Linienbusses braucht sich vor dem Anfahrvorgang nur dann zu vergewissern, ob ein Fahrgast Platz oder Halt im Wagen gefunden hat, wenn eine erkennbare schwere Behinderung des Fahrgastes ihm die Überlegung auf drängte, dass dieser andernfalls beim Anfahren stürzen werde. (BGH v. 01.12.1992, VI ZR 27/92).
Pflichten des Fahrgastes
Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung umfasst die Pflicht eines Fahrgastes zur Eigensicherung die Obliegenheit, sich unmittelbar nach dem Zusteigen in eine Straßenbahn oder einen Linienbus sicheren Stand oder einen Sitzplatz sowie sicheren Halt zu verschaffen (vgl. u.a.: Senat, NZV 2017, 377 m.w.N.). Auch aus § 4 Abs. 3 S. 5 BefBedV und § 14 Abs. 3 Nr. 4 BOKraft ergibt sich, dass ein Fahrgast eines Busses verpflichtet ist, sich „stets“ einen festen Halt zu verschaffen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BefBedV haben sich Fahrgäste bei Benutzung der Betriebsanlagen und Fahrzeuge so zu verhalten, wie es die Sicherheit und Ordnung des Betriebes, ihre eigene Sicherheit und die Rücksicht auf andere Personen gebieten. (OLG Hamm v. 13.12.2017, 11 U 57/17).
Die Beweislast
Kommt ein Fahrgast bei normaler Anfahrt einer Straßenbahn oder eines Linienbusses zu Fall, spricht ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Sturz auf mangelnde Vorsicht des Fahrgastes zurückzuführen ist. Hat es ein Fahrgast versäumt, gerade in dem Zeitraum des besonders gefahrenträchtigen Anfahrens sicheren Halt an einer der Haltestangen zu suchen, trifft ihn nicht nur ein leichtes, sondern ein erhebliches Mitverschulden, demgegenüber die Betriebsgefahr der Straßenbahn oder des Linienbusses bei der Abwägung der Schadenursachen völlig zurücktritt (vgl. Senat, a.a.O.). (OLG Hamm v. 13.12.2017, 11 U 57/17).
Wenn der Arbeitnehmer aus verständiger Sicht des Busfahrers nicht erkennbar gebrechlich, gang- oder standunsicher war, wären die Voraussetzungen für einen Anspruch, der auf den Arbeitgeber übergehen kann, also eher fraglich. Ob ein Anspruch auf Ersatz von Entgeltfortzahlungskosten besteht, muss für jeden Fall individuell beantwortet werden.
Hinweis: Die nachfolgende Darstellung kann die im Einzelfall gebotene Rechtsberatung nicht ersetzen. Rechtsrat erteile ich – wie alle anderen Anwälte auch – auf Grundlage vollständiger Informationen gerne persönlich im Rahmen eines Mandats.
Schwimmen für den guten Zweck: Eine gute Stunde investiert und 20 € erschwommen.
Manchmal stellt sich um die Mittagszeit die Frage: Schwimmen oder Gyros-Koma? Heute fiel mir der Besuch der Schwimmhalle besonders leicht, denn pro Bahn gab es 20 Ct. für verschiedene gemeinnützige Organisationen, u. a. den Kinderschutzbund Ortsverband Aachen e. V.. Das Event fand in der Ullla-Klinger-Schwimmhalle statt. Während ich normalerweise eher in Stolberg oder in Brand beim Schwimmen anzutreffen bin, machte ich mittags also einen kleinen Ausflug in den Westen Aachens. Insgesamt kamen in der Zeit von 07:00 Uhr bis 21:00 Uhr fast 70.000 Bahnen zusammen. Der Hauptsponsor hat den Betrag auf 20.000 € aufgerundet.
Den Konflikt „Schwimmen für den guten Zweck oder Suppen-Koma“ habe ich beim Schwimmen weiter ausgetragen. Die Entscheidung fiel, als sich eine große Gruppe von Bundeswehrsoldaten an meiner Bahn für ihren Schwimmbeitrag aufstellte. Beim „oder“ blieb es jedenfalls nicht. Meine inneren Kontrahenten haben sich im Wege gegenseitigen Nachgebens auf Schwimmen mit sich anschließendem Gyros-Koma verglichen!
EU-Richtlinie verpflichtet laut EuGH zur Dokumentation der Arbeitszeit. Hier finden Sie eine kurze Erläuterung der Hintergründe und der Auswirkungen.
Entscheidung des EuGH
Der EuGH hat in einem Verfahren gegen die Deutsche Bank SAE entschieden, dass der Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, die Arbeitszeiten seiner Arbeitnehmer fortlaufend zu dokumentieren. Geklagt hatte die spanische Arbeitnehmervereinigung CCOO. Rechtsgrundlage sind die Richtlinie 2003/88/EG vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung. Desweiteren die Richtlinie 89/391/EWG vom 12.6.1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit. Diese seien dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedsstaates entgegenstehen, die nach ihrer Auslegung durch die nationalen Gerichte die Arbeitgeber nicht verpflichten, ein System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.
Rechtsgrundlagen
Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung
Artikel 3 – Tägliche Ruhezeit Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jedem Arbeitnehmer pro 24-Stunden-Zeitraum eine Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden gewährt wird.
Artikel 5 – Wöchentliche Ruhezeit Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jedem Arbeitnehmer pro Siebentageszeitraum eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden gemäß Artikel 3 gewährt wird. Wenn objektive, technische oder arbeitsorganisatorische Umstände dies rechtfertigen, kann eine Mindestruhezeit von 24 Stunden gewählt werden.
Artikel 6 – Wöchentliche Höchstarbeitszeit Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer: a) … b) die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet.
CHARTA DER GRUNDRECHTE DER EUROPÄISCHEN UNION 2012/C 326/02
Artikel 31 – Gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen (1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen. (2) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub.
Erwägungen des EuGH
Ohne die Erfassung der Arbeitszeit könne weder die Dauer der Arbeitszeit noch ihr Beginn oder ihr Ende verlässlich festgestellt werden. Ohne Zeiterfassung sei den Arbeitnehmern die Durchsetzung ihrer Rechte erschwert oder sogar praktisch unmöglich. Es sei deshalb nicht ausreichend, wenn der Arbeitgeber verpflichtet sei, lediglich die Überstunden aufzuzeichnen. Das vom Arbeitgeber gewählte System müsse demgegenüber objektiv, verlässlich und zugänglich sein. Probleme ergeben sich bei der Vertrauensarbeitszeit, bei der die Erfassung der Arbeitszeit an den Arbeitnehmer delegiert ist. Ein solches System kann durchaus als nicht mehr „objektiv“ angesehen werden. Risiken ergeben sich insbesondere für Arbeitgeber, die bislang gegen die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes verstoßen haben, da das geforderte System solche Verstöße sichtbar macht.
Eine Regelung, die dem Postulat des EuGH nicht genügt, findet sich auch im deutschen Recht. Denn nach der Gesetzeslage besteht eine Aufzeichnungspflicht nur im Hinblick auf die Überstunden.
Arbeitszeitgesetz (ArbZG) § 16 Aushang und Arbeitszeitnachweise … (2) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 7 Abs. 7 eingewilligt haben.
Dokumentation der Arbeitszeit: Verpflichtung der Arbeitgeber?
Was folgt nun aus dem Urteil des EuGH zur Dokumentation der Arbeitszeit? Anders als EU-Verordnungen wirken EU-Richtlinien nicht unmittelbar und bedürfen deswegen der Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber. Wie § 16 Abs. 2 ArbZG zeigt, hat die EuGH-Entscheidung ein Defizit bei der Umsetzung aufgedeckt. Es stellt sich die Frage, wie der hiesige Gesetzgeber damit umgehen wird. Minister Altmaier betätigt erst einmal das Bremspedal und will durch Vergabe eines Gutachtens prüfen lassen, ob überhaupt Umsetzungsbedarf besteht. Dabei wird es vielleicht Überlegungen geben, Erleichterungen für kleine Unternehmen zu regeln. Wobei Arbeitnehmer kleiner Unternehmen m. E. nicht weniger schutzwürdig sind als solche großer Unternehmen.
Allerdings ist die Rechtsprechung gfs. gehalten, § 16 Abs. 2 ArbZG europarechtskonform auszulegen. Es bleibt abzuwarten, wie die Arbeitsgerichte sich positionieren. Dies hat Relevanz insbesondere bei Klagen von Arbeitnehmern auf Vergütung von Überstunden.
Hinweis: Die nachfolgende Darstellung kann die im Einzelfall gebotene Rechtsberatung nicht ersetzen. Rechtsrat erteile ich – wie alle anderen Anwälte auch – auf Grundlage vollständiger Informationen gerne persönlich im Rahmen eines Mandats.
Link
Ich bin auf ein schönes Video zum Thema gestoßen.
Das Video stammt von https://www.mailbox.org. Dort gibt es für einen überschaubaren Betrag ein sicheres E-Mail-Postfach, für das man nicht mit seiner Privatsphäre bezahlt.
Hinweis: Die nachfolgende Darstellung kann die im Einzelfall gebotene Rechtsberatung nicht ersetzen. Rechtsrat erteile ich – wie alle anderen Anwälte auch – auf Grundlage vollständiger Informationen gerne persönlich im Rahmen eines Mandats.
Auf Vorlage des Landgerichts München I musste der Europäische Gerichtshof (EuGH) sich mit dem Thema Filesharing befassen (EuGH vom 18.10.2018, Az. C‐149/17).
Die Bastei-Lübbe-Verlag ließ den Inhaber eines Wlan-Anschlusses wegen Filesharings in Anspruch nehmen. Im Rechtsstreit bestritt der Anschlussinhaber, die Verletzung des Urheberrechts von Bastei-Lübbe selbst begangen zu haben. Er beschränkte sich darauf, ein weiteres Familienmitglied zu benennen und vorzutragen, dieses Familienmitglied komme als Verletzer ebenfalls in Betracht.
Zum Schutz der Urheber sehen die einschlägigen EU-Richtlinien vor, dass die von den Mitgliedstaaten vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen.
Schon der Bundesgerichtshof (BGH) führte in seiner „Loud“-Entscheidung v. 30.03.2017, Az.: I ZR 19/16, aus: „Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf den Internetanschluss genügt hierbei nicht. Der Inhaber eines Internetanschlusses hat vielmehr nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen.„
Der EuGH kommt letztlich unter Abwägung der wechselseitigen EU-Grundrechte zu einer vergleichbaren Bewertung, wenn er ausführt, dass EU-Richtlinien „… einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren streitigen in der Auslegung durch das zuständige nationale Gericht entgegenstehen, wonach der Inhaber eines Internetanschlusses, über den Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing begangen wurden, nicht haftbar gemacht werden kann, wenn er mindestens ein Familienmitglied benennt, dem der Zugriff auf diesen Anschluss möglich war, ohne nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Nutzung des Anschlusses durch dieses Familienmitglied mitzuteilen.„
Es bleibt folglich im Lichte des EU-Rechts betrachtet dabei, dass der Anspruchsinhaber seine Haftung nicht einfach abwenden kann, indem er sich im Prozess damit begnügt, auf weitere Nutzer des Anschlusses zu zeigen, die er zwar namentlich benennt; dies allerdings ohne nähere Angaben zum konkreten Nutzungsverhalten der angeblich weiteren Nutzer.
Spannend dürfte die Frage sein, was eigentlich passiert, wenn die Nachforschungen des Anschlussinhabers nichts zu Tage fördern, weil der Anschlussinhaber als technischer Laie die möglichen Nachforschungsansätze nicht kennt (Log-Dateien des Routers, des PCs des „verdächtigten“ Familienmitglieds) oder keinen Zugriff auf die in Frage kommenden Endgeräte hat (PC, Smartphone).
Vor allem Rechtsuchende, die sich im Internet tummeln, fragen telefonisch immer häufiger nach kostenloser Erstberatung.
Das Interesse des Mandanten im Blick oder auf der Suche nach dem vergütungspflichtigen Folgeauftrag?
In einem gängigen Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) steht Folgendes zu lesen: „Ob anwaltliche Dumpingpreise betriebswirtschaftlich sinnvoll und berufspolitisch erstrebenswert sind, ist freilich eine andere Frage. Betriebswirtschaftlich lässt sich eine isolierte Beratung zu einem Preis von 10 oder 20 EUR nicht begründen, weshalb nur die Hoffnung auf einen nach dem RVG zu liquidierenden Folgeauftrag bleibt. Zudem erzeugt aggressive Preiswerbung beim Verbraucher den fatalen Eindruck, sein Anwalt koste heute weniger als sein Friseur. Dieser Imageschaden ist zunächst für den einschlägig werbenden Kollegen fatal. Er disqualifiziert sich gegenüber seinem Mandanten als Anbieter einer hochwertigen Dienstleistung.“ (Schneider/Wolf, RVG, 7. A., § 4 Rn. 18).
Soll ich also wie „Aal-Dieter“ anwaltliche Beratungsleistungen am Rechtsmarkt verramschen, indem ich kostenlose Erstberatung bewerbe und anbiete?
Der Grundsatz …
Meine Bereitschaft hierzu ist höchst begrenzt. Das liegt zum einen daran, dass erfahrungsgemäß gerade die als kostenlos erachtete Erstberatung oft einen Umfang annimmt, der den Bereich der überschlägigen Einstiegsberatung (=Erstberatung) schleichend verlässt (bei einer Frage bleibt es nicht, es kommt die Folgefrage, es wird die Übersendung von Unterlagen angeboten, um „mal eben“ am besten noch während des Telefonats darüber zu sehen). Zum zweiten will und muss ich an den Interessen des Mandanten orientiert beraten. Störend wirkt hier, weil die kostenlose Erstberatung eben wirtschaftlich sinnlos ist, die Versuchung, bei der Beratung vornehmlich „den nach dem RVG zu liquidierenden Folgeauftrag“ aus dem Zitat von oben aufzuspüren und zu aktivieren. Und es ist drittens eine Binsenweisheit, die im Englischen mit „what you get is what you pay for“ treffend beschrieben ist: Welche Erwartungen an die Motivation und an die Qualität seiner Beratungsleistung kann man bei einem Anwalt haben, der weiß, dass er keine angemessene Vergütung dafür erhält? Viertens: Wenn es sich herumspricht, bin ich ganztägig nur noch mit kostenlosen Erstberatungen beschäftigt, von denen aber niemand leben kann. Und dabei ist eines ganz klar: Auf das Folgemandat eines Anrufers „aus dem Internet“ brauche ich gewiss nicht zu hoffen.
… und die Ausnahmen:
Ausnahmen bestätigen die Regel, insbesondere bei der Stammmandantschaft. Hier muss ich nicht jede kleine Auskunft abrechnen oder komme gerne bei der Vergütung entgegen, sofern das gesetzlich geregelte Vergütungsrecht dies im außergerichtlichen Tätigkeitsbereich zulässt. Dabei lasse ich mich von dem Gedanken leiten, dass der Preis für mich gut sein muss, aber eben auch für den Mandanten.
À propos „mal eben“
Viele Rechtsuchende erliegen dem Irrtum, der Anwalt verfüge über das lexikalische Wissen, eine fallbezogene Rechtsfrage „mal eben so“ umfassend und zweifelsfrei zu beantworten und die Antwort auf die drängenden Fragen wie ein Verkaufsautomat „auszuspucken“. Ein entsprechendes, lexikalisches Wissen kann niemand vorhalten. Dazu nur der folgende Hinweis: Ich bilde mich regelmäßig fort. Im Arbeitsrecht beispielsweise erhalte ich bei jeder der drei Veranstaltungen im Jahr für Berichtszeiträume von drei bis vier Monaten die Zusammenstellung (eines Teils) neuer arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung im Umfange von 300 Seiten. Oder: Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz als eines von vielen tausend Gesetzen hat nur rund 60 Paragrafen und ein Vergütungsverzeichnis. Ein gängiger Kommentar hierzu erläutert diese rund 60 Paragrafen nebst Vergütungsverzeichnis auf über 3.000 Seiten. Wie arbeitet der gewissenhafte Anwalt also? Die Aufgabe des Anwalts besteht darin, nach Erfassung des vollständigen Sachverhaltes (Verträge lesen, Schriftverkehr lesen, Sachverhalt erfragen, gfs. Auskünfte einholen) in eine Rechtsprüfung (Gesetz lesen, Rechtsprechung recherchieren, Rückgriff auf juristische Fachliteratur) einzutreten, um unter Berücksichtigung der Erwartungen des Mandanten dessen Handlungsmöglichkeiten zu ergründen und ihn über Risiken und Nebenwirkungen aufzuklären. Der Anwalt beschäftigt sich also unter Investition seiner Zeit – selten nur „mal eben“ – mit dem Rechtsproblem des Mandanten, wobei er aufgrund eines anspruchsvollen Studiums und praktischer Erfahrungen die Strukturen und Funktionsweise des Rechts kennt. Diese Investition von Zeit muss dann aber auch angemessen vergütet werden.
Zur häufig anzutreffenden Fehlvorstellung über die Arbeit des Juristen noch ein schönes Zitat (Kolumne bei Spiegel-Online, der Autor Thomas Fischer war Vorsitzender Richter am 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, seine Beiträge sind auch sonst höchst lesenswert, https://www.spiegel.de/panorama/justiz/justiz-neue-amtsperiode-der-schoeffen-in-strafsachen-hat-begonnen-a-1246421.html, abgerufen am 16.2.19): „Jura“ besteht nach dieser Vorstellung darin, ein 10.000 Seiten dickes Buch auswendig zu lernen und dann für jeden Fall die (allein) „richtige“ Lösung auswendig parat zu haben. Das entspricht nicht der Wirklichkeit und wäre auch überaus traurig.
Zurück zum Telefonat mit dem Rechtsuchenden
Der erste Gedanke, der mir dann immer kommt, ist: Okay, wenn ich das nächste Mal zu meinem Hausarzt gehe, frage ich einmal nach einer kostenlosen Erstdiagnose; oder beim nächsten Besuch in meiner Kfz-Werkstatt nach einer kostenlosen Erstinspektion. Vermutlich bliebe das Stetoskop im Arztkittel stecken, mein Arzt würde – abgesehen vielleicht von einem verbalen Einlauf – von ärztlicher Behandlung absehen und der Werkzeugkasten in der Kfz-Werkstatt bliebe erst einmal zu.
Nichts für ungut …
Ach ja: Und das reine Akquisitionsgespräch, also die Mandatsanbahnung, ist bei mir – eine Selbstverständlichkeit! – auch kostenlos.
Hinweis: Die nachfolgende Darstellung kann die im Einzelfall gebotene Rechtsberatung nicht ersetzen. Rechtsrat erteile ich – wie alle anderen Anwälte auch – auf Grundlage vollständiger Informationen gerne persönlich im Rahmen eines Mandats.
Zwischenzeitlich ist das viel erwartete Urteil des Bundesgerichtshofs zur Aufgabe der Störerhaftung nach neuer Gesetzeslage veröffentlicht (BGH v. 26.07.2018, Az.: I ZR 64/17 – „Dead Island“).
Zum Sachverhalt:
Die prägnante Urteils-Kennzeichnung „Dead Island“ rührt daher, dass über öffentlich nutzbare Wlan-Hotspots und einen Tor-Exit-Node des Beklagten das gleichnamige Spiel der Rechteinhaberin und Klägerin ohne die erforderliche Zustimmung verbreitet wurde.
„Dead Island“ ist ein in Deutschland auf den Index gelangtes Ballerspiel, wo es eher rustikal zur Sache geht. In der im Bundesanzeiger Nr. 180 vom 30.11.2011 veröffentlichten Entscheidung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien heißt es u. a. :“Die Gewalt in ‚Dead Island‘ wird sehr detailliert dar gestellt. Bei jedem Treffer eines Gegners erscheint eine Zahl an der getroffenen Stelle, die verdeutlicht, wie viele Punkte Lebensenergie dem Opponenten abgezogen wurden. Treffer mit Projektilen aus Schusswaffen erzeugen kleine bis große Blutwolken. Die Schrotflinte kann bei einem gezielten Treffer den Kopf des Gegners explodieren oder die entsprechende Extremität durch die Luft fliegen lassen. Der Einsatz mit Schwertern oder Schlagwaffen hat ähnliche Folgen. Normale Treffer erzeugen ebenso Blutwolken und Spuren auf den umliegenden Texturen. Wird einem Zombie ein Arm abgetrennt, kann er dennoch mit dem verbliebenen Arm angreifen. Er blutet allerdings stark aus der hervor gerufenen Wunde.“
Das Tor-Netzwerk will anonymes Surfen ermöglichen. Letztlich wird damit die Herkunft einer Verbindungsanfrage verschleiert. Der Exit-Node (Austrittsknoten), den der Beklagte betrieb, ist das letzte Glied im Tor-Netzwerk. Der Server, mit dem man anonym kommunizieren will, bekommt nicht die eigene IP-Adresse zu Gesicht, sondern nur die des Exit-Nodes. Dies machten sich diejenigen Nutzer des Tor-Netzwerkes zu eigen, die das Computerspiel im Wege des Filesharing herunterluden und damit automatisch illegal zum Download bereitstellten.
Verblüffend ist auf den ersten Blick, dass der Senat die Verurteilung in Erstattung der Abmahnkosten bestätigt hat, dann aber den Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten verneinte. Das liegt daran, dass die Kosten auslösende Abmahnung bereits im März 2013 erfolgte, also noch bevor die Änderungen des Telemediengesetzes (TMG) im Oktober 2017 in Kraft traten. Die Erstattung der Abmahnkosten richtete sich also nach der alten Rechtslage, während der Unterlassungsanspruch, weil er in die Zukunft gerichtet ist, nach der geänderten Rechtslage zu beurteilen war.
Verurteilung in die Abmahnkosten (beurteilt nach alter Rechtslage)
Bei den Abmahnkosten nach alter Rechtslage sah es für den Beklagten schattig aus. Nach Auffassung des Senats hatte der Beklagte die erforderlichen Vorkehrungen gegen Rechtsverletzungen nicht getroffen. Dabei konnte offen bleiben, ob der Beklagte Wlan-Hotspot und Exit-Node privat oder geschäftlich betrieb. Der Betreiber eines privaten WLAN-Anschlusses haftete für über diesen Anschluss von Dritten begangene Rechtsverletzungen, wenn das WLAN ohne die im privaten Gebrauch verkehrsüblichen und zumutbaren Zugangssicherungen betrieben wurde. Hierunter sind der im Kaufzeitpunkt aktuelle Verschlüsselungsstandard sowie die Verwendung eines individuellen, ausreichend langen und sicheren Passworts zu verstehen. Sofern der Beklagte den Tor-Exit-Node privat zur Verfügung gestellt hat, war er – ebenso wie bei der privaten Bereitstellung eines WLAN – verpflichtet, den geschaffenen Zugang gegen eine missbräuchliche Nutzung durch Dritte hinreichend zu sichern. Mit der Frage, ob eine sog. Port-Sperre überhaupt ein wirksames Mittel gegen Filesharing ist, durfte sich der Senat sich aus prozessualen Gründen befassen, wobei hier m. E. Zweifel angebracht sind. Beim gewerblichen Betrieb der Zugangsmöglichkeiten entstand eine Verpflichtung zu Sicherheitsvorkehrungen erst nach Erhalt eines geeigneten Hinweises auf eine Rechtsverletzung. Ein solcher Hinweis lag aus Sicht des Beklagten aber im entschiedenen Fall vor, weil man ihn bereits 2011 mehrfach wegen illegalen Filesharings abgemahnt hatte.
Verneinung des Unterlassungsanspruchs
Wegen der zwischenzeitlichen Neufassung von § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG verneinte der Senat einen Unterlassungsanspruch. Denn im Falle des Beklagten lag sowohl bei den WLAN-Hotspots als auch – in analoger bzw. EU-richtlinienkonformer Auslegung/Rechtsfortbildung – beim Tor Exit-Node keine Verantwortlichkeit vor, da der Betreiber die Übermittlung der fremden Informationen nicht selbst veranlasst, den Adressaten der Informationen nicht ausgewählt und die übermittelten Informationen nicht selbst ausgewählt oder verändert hatte. Da der Beklagte nicht mehr verantwortlich in diesem Sinne war, konnte er insbesondere nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Schadensersatz oder Beseitigung oder Unterlassung einer Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden. Dasselbe gilt zwar nach der Neuregelung ebenfalls hinsichtlich aller Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung dieser Ansprüche (also auch die Kosten der Abmahnung). Diesbzgl. war aber nach alter Rechtslage zu entscheiden, wie bereits oben ausgeführt.
Es bleibt spannend: Zurückverweisung an das Berufungsgericht
Aus prozessualen Gründen durfte der Senat den Klageantrag zum Unterlassungsanspruch nicht abweisen. Er hat an das Oberlandesgericht in Düsseldorf (Vorinstanz) zurückverwiesen. Dort erhält die Klägerin jetzt Gelegenheit, den Antrag mit neuer Zielrichtung auf Sperrmaßnahmen anstelle von Unterlassung umzustellen. Dazu heißt es in § 7 Abs. 4 TMG: „Wurde ein Telemediendienst von einem Nutzer in Anspruch genommen, um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen und besteht für den Inhaber dieses Rechts keine andere Möglichkeit, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, so kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach § 8 Absatz 3 die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern. Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein. Ein Anspruch gegen den Diensteanbieter auf Erstattung der vor- und außergerichtlichen Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung des Anspruchs nach Satz 1 besteht außer in den Fällen des § 8 Absatz 1 Satz 3 nicht.“ Die Klägerin hat die Sperrmaßnahmen im Einzelnen zu benennen.
Fazit: Störerhaftung abgeschafft, aber …
Die Störerhaftung im Sinne von Inanspruchnahme auf Unterlassung, Beseitigung, Schadenersatz und Ersatz von Abmahnkosten ist bei der Zugangsvermittlung unabhängig von der Art und Weise ihrer technischen Durchführung abgeschafft. Allerdings verbleibt ein Anspruch auf Sperrung, dem § 8 Abs. 4 TMG nicht entgegensteht, da er nur Behörden, nicht aber Gerichte erfasst. Welche konkreten Sperrmaßnahmen vom Rechteinhaber verlangt werden können, wird die zukünftige Rechtsprechung zeigen.