EU-Richtlinie verpflichtet laut EuGH zur Dokumentation der Arbeitszeit. Hier finden Sie eine kurze Erläuterung der Hintergründe und der Auswirkungen.
Entscheidung des EuGH
Der EuGH hat in einem Verfahren gegen die Deutsche Bank SAE entschieden, dass der Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, die Arbeitszeiten seiner Arbeitnehmer fortlaufend zu dokumentieren. Geklagt hatte die spanische Arbeitnehmervereinigung CCOO. Rechtsgrundlage sind die Richtlinie 2003/88/EG vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung. Desweiteren die Richtlinie 89/391/EWG vom 12.6.1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit. Diese seien dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedsstaates entgegenstehen, die nach ihrer Auslegung durch die nationalen Gerichte die Arbeitgeber nicht verpflichten, ein System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.
Rechtsgrundlagen
Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung
Artikel 3 – Tägliche Ruhezeit
Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jedem Arbeitnehmer pro 24-Stunden-Zeitraum eine Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden gewährt wird.
Artikel 5 – Wöchentliche Ruhezeit
Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jedem Arbeitnehmer pro Siebentageszeitraum eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden gemäß Artikel 3 gewährt wird.
Wenn objektive, technische oder arbeitsorganisatorische Umstände dies rechtfertigen, kann eine Mindestruhezeit von 24 Stunden gewählt werden.
Artikel 6 – Wöchentliche Höchstarbeitszeit
Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer:
a) …
b) die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet.
CHARTA DER GRUNDRECHTE DER EUROPÄISCHEN UNION 2012/C 326/02
Artikel 31 – Gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen
(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen.
(2) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub.
Erwägungen des EuGH
Ohne die Erfassung der Arbeitszeit könne weder die Dauer der Arbeitszeit noch ihr Beginn oder ihr Ende verlässlich festgestellt werden. Ohne Zeiterfassung sei den Arbeitnehmern die Durchsetzung ihrer Rechte erschwert oder sogar praktisch unmöglich. Es sei deshalb nicht ausreichend, wenn der Arbeitgeber verpflichtet sei, lediglich die Überstunden aufzuzeichnen. Das vom Arbeitgeber gewählte System müsse demgegenüber objektiv, verlässlich und zugänglich sein. Probleme ergeben sich bei der Vertrauensarbeitszeit, bei der die Erfassung der Arbeitszeit an den Arbeitnehmer delegiert ist. Ein solches System kann durchaus als nicht mehr „objektiv“ angesehen werden. Risiken ergeben sich insbesondere für Arbeitgeber, die bislang gegen die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes verstoßen haben, da das geforderte System solche Verstöße sichtbar macht.
Eine Regelung, die dem Postulat des EuGH nicht genügt, findet sich auch im deutschen Recht. Denn nach der Gesetzeslage besteht eine Aufzeichnungspflicht nur im Hinblick auf die Überstunden.
Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
§ 16 Aushang und Arbeitszeitnachweise
…
(2) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 7 Abs. 7 eingewilligt haben.
Dokumentation der Arbeitszeit: Verpflichtung der Arbeitgeber?
Was folgt nun aus dem Urteil des EuGH zur Dokumentation der Arbeitszeit? Anders als EU-Verordnungen wirken EU-Richtlinien nicht unmittelbar und bedürfen deswegen der Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber. Wie § 16 Abs. 2 ArbZG zeigt, hat die EuGH-Entscheidung ein Defizit bei der Umsetzung aufgedeckt. Es stellt sich die Frage, wie der hiesige Gesetzgeber damit umgehen wird. Minister Altmaier betätigt erst einmal das Bremspedal und will durch Vergabe eines Gutachtens prüfen lassen, ob überhaupt Umsetzungsbedarf besteht. Dabei wird es vielleicht Überlegungen geben, Erleichterungen für kleine Unternehmen zu regeln. Wobei Arbeitnehmer kleiner Unternehmen m. E. nicht weniger schutzwürdig sind als solche großer Unternehmen.
Allerdings ist die Rechtsprechung gfs. gehalten, § 16 Abs. 2 ArbZG europarechtskonform auszulegen. Es bleibt abzuwarten, wie die Arbeitsgerichte sich positionieren. Dies hat Relevanz insbesondere bei Klagen von Arbeitnehmern auf Vergütung von Überstunden.
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