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Bastei-Lübbe-Entscheidung des EuGH

Hinweis: Die nachfolgende Darstellung kann die im Einzelfall gebotene Rechtsberatung nicht ersetzen. Rechtsrat erteile ich – wie alle anderen Anwälte auch – auf Grundlage vollständiger Informationen gerne persönlich im Rahmen eines Mandats.

Auf Vorlage des Landgerichts München I musste der Europäische Gerichtshof (EuGH) sich mit dem Thema Filesharing befassen (EuGH vom 18.10.2018, Az. C‐149/17).

Die Bastei-Lübbe-Verlag ließ den Inhaber eines Wlan-Anschlusses wegen Filesharings in Anspruch nehmen. Im Rechtsstreit bestritt der Anschlussinhaber, die Verletzung des Urheberrechts von Bastei-Lübbe selbst begangen zu haben. Er beschränkte sich darauf, ein weiteres Familienmitglied zu benennen und vorzutragen, dieses Familienmitglied komme als Verletzer ebenfalls in Betracht.

Zum Schutz der Urheber sehen die einschlägigen EU-Richtlinien vor, dass die von den
Mitgliedstaaten vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen.

Schon der Bundesgerichtshof (BGH) führte in seiner „Loud“-Entscheidung v. 30.03.2017, Az.: I ZR 19/16, aus: „Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf den Internetanschluss genügt hierbei nicht. Der Inhaber eines Internetanschlusses hat vielmehr nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche  Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen.

Der EuGH kommt letztlich unter Abwägung der wechselseitigen EU-Grundrechte zu einer vergleichbaren Bewertung, wenn er ausführt, dass EU-Richtlinien „… einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren streitigen in der Auslegung durch das zuständige nationale Gericht entgegenstehen, wonach der Inhaber eines Internetanschlusses, über den Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing begangen wurden, nicht haftbar gemacht werden kann, wenn er mindestens ein Familienmitglied benennt, dem der Zugriff auf diesen Anschluss möglich war, ohne nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Nutzung des Anschlusses durch dieses Familienmitglied mitzuteilen.

Es bleibt folglich im Lichte des EU-Rechts betrachtet dabei, dass der Anspruchsinhaber seine Haftung nicht einfach abwenden kann, indem er sich im Prozess damit begnügt, auf weitere Nutzer des Anschlusses zu zeigen, die er zwar namentlich benennt; dies allerdings ohne nähere Angaben zum konkreten Nutzungsverhalten der angeblich weiteren Nutzer.

Spannend dürfte die Frage sein, was eigentlich passiert, wenn die Nachforschungen des Anschlussinhabers nichts zu Tage fördern, weil der Anschlussinhaber als technischer Laie die möglichen Nachforschungsansätze nicht kennt (Log-Dateien des Routers, des PCs des „verdächtigten“ Familienmitglieds) oder keinen Zugriff auf die in Frage kommenden Endgeräte hat (PC, Smartphone).




„Dead Island“-Urteil zur Störerhaftung

Hinweis: Die nachfolgende Darstellung kann die im Einzelfall gebotene Rechtsberatung nicht ersetzen. Rechtsrat erteile ich – wie alle anderen Anwälte auch – auf Grundlage vollständiger Informationen gerne persönlich im Rahmen eines Mandats.

Zwischenzeitlich ist das viel erwartete Urteil des Bundesgerichtshofs zur Aufgabe der Störerhaftung nach neuer Gesetzeslage veröffentlicht (BGH v. 26.07.2018, Az.: I ZR 64/17 – „Dead Island“).

Zum Sachverhalt:

Die prägnante Urteils-Kennzeichnung „Dead Island“ rührt daher, dass über öffentlich nutzbare Wlan-Hotspots und einen Tor-Exit-Node des Beklagten das gleichnamige Spiel der Rechteinhaberin und Klägerin ohne die erforderliche Zustimmung verbreitet wurde.

Dead Island“ ist ein in Deutschland auf den Index gelangtes Ballerspiel, wo es eher rustikal zur Sache geht. In der im Bundesanzeiger Nr. 180 vom 30.11.2011 veröffentlichten Entscheidung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien heißt es u. a. :“Die Gewalt in ‚Dead Island‘ wird sehr detailliert dar gestellt. Bei jedem Treffer eines Gegners erscheint eine Zahl an der getroffenen Stelle, die verdeutlicht, wie viele Punkte Lebensenergie dem Opponenten abgezogen wurden. Treffer mit Projektilen aus Schusswaffen erzeugen kleine bis große Blutwolken. Die Schrotflinte kann bei einem gezielten Treffer den Kopf des Gegners explodieren oder die entsprechende Extremität durch die Luft fliegen lassen. Der Einsatz mit Schwertern oder Schlagwaffen hat ähnliche Folgen. Normale Treffer erzeugen ebenso Blutwolken und Spuren auf den umliegenden Texturen. Wird einem Zombie ein Arm abgetrennt, kann er dennoch mit dem verbliebenen Arm angreifen. Er blutet allerdings stark aus der hervor gerufenen Wunde.“

Das Tor-Netzwerk will anonymes Surfen ermöglichen. Letztlich wird damit die Herkunft einer Verbindungsanfrage verschleiert. Der Exit-Node (Austrittsknoten), den der Beklagte betrieb, ist das letzte Glied im Tor-Netzwerk. Der Server, mit dem man anonym kommunizieren will, bekommt nicht die eigene IP-Adresse zu Gesicht, sondern nur die des Exit-Nodes. Dies machten sich diejenigen Nutzer des Tor-Netzwerkes zu eigen, die das Computerspiel im Wege des Filesharing herunterluden und damit automatisch illegal zum Download bereitstellten.

Verblüffend ist auf den ersten Blick, dass der Senat die Verurteilung in Erstattung der Abmahnkosten bestätigt hat, dann aber den Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten verneinte. Das liegt daran, dass die Kosten auslösende Abmahnung bereits im März 2013 erfolgte, also noch bevor die Änderungen des Telemediengesetzes (TMG) im Oktober 2017 in Kraft traten. Die Erstattung der Abmahnkosten richtete sich also nach der alten Rechtslage, während der Unterlassungsanspruch, weil er in die Zukunft gerichtet ist, nach der geänderten Rechtslage zu beurteilen war.

Verurteilung in die Abmahnkosten (beurteilt nach alter Rechtslage)

Bei den Abmahnkosten nach alter Rechtslage sah es für den Beklagten schattig aus. Nach Auffassung des Senats hatte der Beklagte die erforderlichen Vorkehrungen gegen Rechtsverletzungen nicht getroffen. Dabei konnte offen bleiben, ob der Beklagte Wlan-Hotspot und Exit-Node privat oder geschäftlich betrieb. Der Betreiber eines privaten WLAN-Anschlusses haftete für über diesen Anschluss von Dritten begangene Rechtsverletzungen, wenn das WLAN ohne die im privaten Gebrauch verkehrsüblichen und zumutbaren Zugangssicherungen betrieben wurde. Hierunter sind der im Kaufzeitpunkt aktuelle Verschlüsselungsstandard sowie die Verwendung eines individuellen, ausreichend langen und sicheren Passworts zu verstehen. Sofern der Beklagte den Tor-Exit-Node privat zur Verfügung gestellt hat, war er – ebenso wie bei der privaten Bereitstellung eines WLAN – verpflichtet, den geschaffenen Zugang gegen eine missbräuchliche Nutzung durch Dritte hinreichend zu sichern. Mit der Frage, ob eine sog. Port-Sperre überhaupt ein wirksames Mittel gegen Filesharing ist, durfte sich der Senat sich aus prozessualen Gründen befassen, wobei hier m. E. Zweifel angebracht sind. Beim gewerblichen Betrieb der Zugangsmöglichkeiten entstand eine Verpflichtung zu Sicherheitsvorkehrungen erst nach Erhalt eines geeigneten Hinweises auf eine Rechtsverletzung. Ein solcher Hinweis lag aus Sicht des Beklagten aber im entschiedenen Fall vor, weil man ihn bereits 2011 mehrfach wegen illegalen Filesharings abgemahnt hatte.

Verneinung des Unterlassungsanspruchs

Wegen der zwischenzeitlichen Neufassung von § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG verneinte der Senat einen Unterlassungsanspruch. Denn im Falle des Beklagten lag sowohl bei den WLAN-Hotspots als auch – in analoger bzw. EU-richtlinienkonformer Auslegung/Rechtsfortbildung – beim Tor Exit-Node keine Verantwortlichkeit vor, da der Betreiber die Übermittlung der fremden Informationen nicht selbst veranlasst, den Adressaten der Informationen nicht ausgewählt und die übermittelten Informationen nicht selbst ausgewählt oder verändert hatte. Da der Beklagte nicht mehr verantwortlich in diesem Sinne war, konnte er insbesondere nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Schadensersatz oder Beseitigung oder Unterlassung einer Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden. Dasselbe gilt zwar nach der Neuregelung ebenfalls hinsichtlich aller Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung dieser Ansprüche (also auch die Kosten der Abmahnung). Diesbzgl. war aber nach alter Rechtslage zu entscheiden, wie bereits oben ausgeführt.

Es bleibt spannend: Zurückverweisung an das Berufungsgericht

Aus prozessualen Gründen durfte der Senat den Klageantrag zum Unterlassungsanspruch nicht abweisen. Er hat an das Oberlandesgericht in Düsseldorf (Vorinstanz) zurückverwiesen. Dort erhält die Klägerin jetzt Gelegenheit, den Antrag mit neuer Zielrichtung auf Sperrmaßnahmen anstelle von Unterlassung umzustellen. Dazu heißt es in § 7 Abs. 4 TMG: „Wurde ein Telemediendienst von einem Nutzer in Anspruch genommen, um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen und besteht für den Inhaber dieses Rechts keine andere Möglichkeit, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, so kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach § 8 Absatz 3 die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern. Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein. Ein Anspruch gegen den Diensteanbieter auf Erstattung der vor- und außergerichtlichen Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung des Anspruchs nach Satz 1 besteht außer in den Fällen des § 8 Absatz 1 Satz 3 nicht.“ Die Klägerin hat die Sperrmaßnahmen im Einzelnen zu benennen.

Fazit: Störerhaftung abgeschafft, aber …

Die Störerhaftung im Sinne von Inanspruchnahme auf Unterlassung, Beseitigung, Schadenersatz und Ersatz von Abmahnkosten ist bei der Zugangsvermittlung unabhängig von der Art und Weise ihrer technischen Durchführung abgeschafft. Allerdings verbleibt ein Anspruch auf Sperrung, dem § 8 Abs. 4 TMG nicht entgegensteht, da er nur Behörden, nicht aber Gerichte erfasst. Welche konkreten Sperrmaßnahmen vom Rechteinhaber verlangt werden können, wird die zukünftige Rechtsprechung zeigen.