Endlich einmal wieder ein Anlass zum anwaltlichen Selbstversuch, diesmal zum Thema „Reisepreisminderung bei Flugzeitenverschiebung“.
Buchung ohne, Voucher mit Flugzeitenverschiebung
Im Juli 2022 sollte das Reiseziel für unseren Jahresurlaub die Insel Rhodos sein. Im Internet stieß ich über eine der gängigen Vermittlungsplattformen auf ein Angebot, das mich ansprach. Vor allem der frühen Hinflug- und späten Rückflugzeiten wegen. Wir flogen ab Stuttgart, was uns noch einen Familienbesuch im „Wilden Süden“ ermöglichte. Hin sollte es mit Condor von 7:00 bis 11:05 Uhr gehen, da hat man noch etwas vom ersten Urlaubstag. Zurück ebenfalls mit Condor von 19:25 bis 21:35 Uhr, ausschlafen also am letzten Urlaubstag, gemütlich frühstücken und noch einmal eine Runde ins Meer.
Die Flugzeiten ergaben sich aus der am Buchungstag übermittelten Rechnung, nachdem ein entsprechender Vertrag zustande gekommen war. Zwei Wochen vor Abreise machte sich bei mir Verwunderung breit, als die Voucher für die Flüge eintrafen. Den Hinflug wollte man jetzt von 15:10 Uhr bis 19:15 Uhr durchführen und den Rückflug von 09:50 bis 12:00 Uhr. Hm.
Erhaltungsmaßnahmen für den Minderungsanspruch
„Wozu habe ich Jura studiert?“ war mein erster Gedanke, also einmal die Regelungen zum Reiserecht im Bürgerlichen Gesetzbuch aufgeschlagen (651a ff.). Zustand nach Buchung einer sog. Gesamtheit von mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise: Flug, Hotel, Transfer. Ich springe ein paar Vorschriften weiter und entdecke § 651m BGB, der die Minderung regelt. An der Hochschule erhielt ich vor vielen Jahren den Geheimtipp, es sei gut, vor und nach der einschlägigen Vorschrift noch ein paar Paragrafen weiterzulesen. So gelangte ich zu § 651o BGB, der mir die Ansprüche auf Minderung abschneidet, wenn ich den Reisemangel nicht unverzüglich anzeige.
Da der Zugang der Anzeige im Zweifel nachgewiesen werden muss, investierte ich rund sechs Euro für die Versandform Einschreiben gegen Rückschein und schrieb an meinen in Düsseldorf ansässigen Reiseveranstalter (nicht: Reisevermittler). Ich bat um Abhilfe. Die schuf er selbstredend nicht. Das war mir vorher klar. Mir ging es nur darum, für meinen Anspruch den Fuß in der Türe zu haben.
Die Reise
Wir traten die Reise also an. Einchecken, Sicherheitskontrolle, Gate. Das Flugzeug mit Condor-Lackierung stand schon bereit. Der Registrierungscode auf dem Flugzeug machte mich stutzig, er begann mit BY. Bei Condor hätte ich eine DE-Registrierung erwartet. Es stellte sich heraus, dass wir mit einer als Condor verkleideten Maschine der Bulgaria Air nach Rhodos flogen. Deutsche Besatzung, also – vermutlich – ein Fall von „dry lease“ (nur das Flugzeug wird geleast, es gibt auch – im Neusprech der schönen neuen Welt – „wet lease“, also Leasing des Flugzeugs inklusive Besatzung). Es gab nichts auszusetzen am Flug, Erkundigungen im Vorfeld um nicht zu sagen: auf dem Vorfeld förderten die beruhigende Information „Bulgaria Air betreibt ein Joint Venture mit der Lufthansa Technik in Sofia“ zu Tage.
Am Abend der Hinreise hing es vom Zufall ab, dass wir noch einige Minuten hatten, um schnell etwas zu essen, bevor das Hotelrestaurant die Pforten schloss. Der Urlaub, die zweite Pauschalreise meines Lebens, war klasse und alle waren von der Insel und der Gastfreundschaft ihrer Bewohner begeistert. Am Rückflug gab es ebenfalls nichts auszusetzen, wir landeten pünktlich und in einer „echten“ Condor-Maschine mit DE-Registrierungscode wieder in Stuttgart.
Anspruch wegen Reisepreisminderung im Selbstversuch
So weit so gut, aber ich musste jetzt gemäß meinem Plan noch etwas Jura machen. Ich ermittelte eine Reisepreisminderung von rund 170 € und versandte mein Aufforderungsschreiben an den Reiseveranstalter. Es tat sich leider nichts. Schade. Ich beantragte nach einigen Monaten, als Zeit war, einen Mahnbescheid. Als die Zustellnachricht des Gerichts eintraf, formulierte ich einen Vorschlag zur Güte an meinen Reiseveranstalter: Die 170 € zzgl. der hälftigen Gerichtskosten von 18 € für den Mahnbescheid innerhalb einer angemessenen Zahlungsfrist dafür, dass ich das Verfahren nicht weiter betreibe und die weiteren Kosten nicht mehr thematisiere.
Der Reiseveranstalter akzeptierte. Natürlich nur „aus Kulanz“. Ich weiß auch warum. Streitgericht bei Widerspruch gegen den Mahnbescheid wäre das Amtsgericht in Düsseldorf gewesen. Hier hatte ich mir schon im Vorfeld „Trophäen“-Urteile herausgesucht, die ab der 5. Stunde für jede Stunde 5% des sog. Reisetagespreises im Falle einer Flugzeitenverschiebung als Minderungsbetrag zuerkannten. Aber Vorsicht: Ich will nicht verhehlen, dass andere Gerichte dies durchaus unterschiedlich beurteilen. Einige argumentieren, Flugzeitenverschiebungen am An- und Rückreisetag seien grundsätzlich minderungslos hinzunehmen, es sei denn, den Reisenden kommt die übliche Nachtruhe abhanden.
Empfehlung also: Immer prüfen, wo ein Rechtsstreit voraussichtlich landet und wie die dortigen Gerichte die Rechtslage beurteilen. Hilfe dabei gibt es hier.